"Wenn man mit einem Arm mithalten kann, sorgt das für Respekt"

Tom Meixelsberger (Potsdam/PTS5) gehört seit diesem Jahr den Para-Triathlon-Kader an. Er erklärt, warum ein Rekord irgendwann nichts mehr Besonderes ist, erzählt, warum er sich freut, wenn er gefragt wird, ob er etwas halten kann und verrät, warum er für den Wechsel zum Triathlon die Chance auf einen Start bei den Paralympischen Spielen ausgeschlagen hat.

Tom Meixelsberger
Ich wollte nie ein Extrawürstchen sein. Ich wollte schon immer dasselbe machen und dazugehören.
Tom Meixelsberger

Du warst als Schwimmer erfolgreich, hast unter andrem dreimal Silber bei den Europäischen Jugendspielen im Parasport gewonnen. Warum bist du nun Triathlet?

Ich habe als Schwimmer schon immer sehr alternativ trainiert, viel Lauf- und Radtraining gemacht. Während des Trainingslagers auf Lanzarote habe ich regelmäßig an Spaß-Triathlons teilgenommen. Ich habe mich immer mehr mit dem Gedanken auseinandergesetzt, ob Triathlon nicht doch vielleicht besser für mich ist.

Die Entscheidung ist dann im vergangenen Frühjahr gefallen.

Im Lockdown konnte ich nicht mehr schwimmen, bin viel Laufen und Radfahren gegangen. Ich habe gemerkt, dass ich für den Triathlon mehr brenne als für das Schwimmen - obwohl ich noch eine Chance hatte, mich für die Paralympischen Spiele 2021 über 100 Meter Brust zu qualifizieren. Je mehr ich an Triathlon gedacht habe, desto mehr ist mir die Lust am Schwimmen vergangen. Und dann habe ich mir gesagt: Jetzt oder nie.

Du startest in der gleichen Klasse wie Paralympics-Sieger Martin Schulz, mit dem du vor Jahren mal zusammen in Leipzig trainiert hattest, als er auch noch Schwimmer war.

Martin ist ein Vorbild für mich. Als ich nach Leipzig gekommen bin, war er für mich eine große Nummer. Mittlerweile habe ich ihm den Deutschen Rekord über 100 Meter Brust geklaut. Es motiviert mich ungemein, schneller zu sein als die Person, zu der ich aufschaue. Von ihm kann ich noch viel lernen. Zum Beispiel, wie ich mit Prothese auf ein Rad aufspringe oder wie ich den Neoprenanzug mit einer Hand optimal öffnen kann.

Du hast rund zehn Mal einen Deutschen Rekord über 50 und 100 Meter Brust verbessert. Was bedeutet dir solch ein Rekord?

Ein Deutscher Rekord ist das erste Mal etwas Cooles. Aber irgendwann haben die neuen Deutschen Rekorde nicht mehr den Stellenwert, sind nur noch neue persönliche Bestleistungen. Da denkt man nicht mehr jedes Mal, du bist der Beste. Der Fokus geht dann eher dahin, dass man mit jedem neuen Rekord die Chance erhöht, den Rekord länger sein eigen nennen zu dürfen.

Kannst du dich noch an deinen ersten Deutschen Rekord erinnern?

Das war bei den Deutschen Meisterschaften 2016 über 100 Meter Brust. Davor habe ich über einen längeren Zeitraum kein Rennen absolviert. Der Wettkampf lief richtig gut, ich habe angeschlagen und wusste, dass die Zeit gut ist. Ich war dann allerdings überrascht, wie gut sie war. Es war eine Bestätigung für die Arbeit in den Jahren zuvor.

Wie hart war dieser Weg?

Ich habe in Jahren zuvor sehr viel gesehen. Erst war ich auf der Sportschule in Chemnitz, dann ging es weiter nach Leipzig, nach Berlin und Potsdam. Ich habe versucht, für mich beste Bedingungen zu schaffen.

Der Weg hat dich immer weiter von zu Hause weggeführt.

Für mich war das weniger schwierig, ich wollte diesen Weg gehen (Tom ist seit der fünften Klasse auf dem Sportinternat, Anm. d. Red.). Aber meine Familie musste ich schon ein bisschen überreden. Sie hätten mich gerne noch ein bisschen länger bei sich behalten. Mittlerweile sagen sie aber auch, dass es gut ist, wie ich es gemacht habe.

Dir war also schon recht früh klar, dass du Leistungssportler werden willst.

Es war immer alles darauf ausgelegt. Ich habe in Chemnitz sehr davon profitiert, mit Nicht-Behinderten zusammen zu trainieren. Sie sind schneller, und das hilft mir. Wenn man mit einem Arm mithalten kann, sorgt das für Respekt. Und das motiviert mich wiederum. Ich wollte nie ein Extrawürstchen sein. Ich wollte schon immer dasselbe machen und dazugehören.

Zwischenzeitlich hast du einige Jahre mit Parasportler*innen trainiert. In Potsdam bist du nun in einer Trainingsgruppe mit nichtbehinderten Athlet*innen.

Das macht mega Spaß. Klar, am Anfang läuft das immer mit angezogener Handbremse, ist ein Herantasten. Aber die Jungs und Mädels haben schnell gemerkt, dass sie nicht auf mich aufpassen müssen. Für mich ist es toll, wenn sie mich bitten, zwei Dinge gleichzeitig zu halten – was ich nicht kann, weil mir ein Arm fehlt. Aber diese Alltagsmomente zeigen mir, dass ich dazugehöre und dass sie längst vergessen haben, dass ich eine Behinderung habe.